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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 18.11.2005
Aktenzeichen: 9 Ta 202/05
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG, BRAGO
Vorschriften:
ZPO § 121 Abs. 3 | |
ZPO § 121 Abs. 4 | |
ZPO § 121 Abs. 4 2. Alternative | |
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 1 | |
ZPO §§ 567 ff. | |
ArbGG § 11 a Abs. 3 | |
ArbGG § 78 Satz 1 | |
BRAGO § 126 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz |
Aktenzeichen: 9 Ta 202/05
Entscheidung vom 18.11.2005
Tenor:
1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - vom 26.07.2005, Az.: 6 Ca 295/05 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 65,00 EUR festgesetzt.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Der Kläger, der in A-Stadt wohnt und bei der Beklagten als Betriebsschlosser arbeitet, beauftragte Rechtsanwalt B., der seine Kanzlei in A-Stadt betreibt, einen Anspruch auf restliches Arbeitsentgelt gegen die Beklagte mit Schreiben vom 29.07.2004 (Bl. 117 d.A.) geltend zu machen.
Nachdem die Beklagte das Beschäftigungsverhältnis mit Schreiben vom 23.02.2005 gekündigt hat, hat der Kläger, vertreten durch Rechtsanwalt B., beim Arbeitsgericht Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - eine Kündigungsschutzklage eingereicht und beantragt, dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. zu bewilligen.
Mit Schreiben vom 26.07.2005 hat daraufhin das Arbeitsgericht Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - dem Kläger für den ersten Rechtszug in vollem Umfang Prozesskostenhilfe bewilligt und ihm Rechtsanwalt B. unter Ausschluss der Erstattungsfähigkeit von Tage - und Abwesenheitsgeld sowie der etwaigen Reisekosten vom Ort der Kanzlei zum Gerichtsort in Landau bewilligt. Die Entfernung zwischen der Wohnung des Klägers in A-Stadt und dem Sitz des Arbeitsgerichts in Landau beläuft sich, wenn ein PKW benutzt wird, auf rund 21 km.
Der Kläger hat am 12.08.2005 Beschwerde gegen den Beiordnungsbeschluss eingelegt und sich gegen die Einschränkung, dass die Beiordnung nur zu den Bedingungen eines am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwaltes erfolgt, gewendet. Des Weiteren hat er hilfsweise beantragt, Rechtsanwalt B. beizuordnen und Fahrtkosten bis zur Höhe der Kosten eines Verkehrsanwaltes für erstattungsfähig zu erklären.
Der Kläger macht zur Begründung seiner Beschwerde geltend,
sein ursprünglich gestellter Beiordnungsantrag habe auch den nunmehr mit der Beschwerde hilfsweise bestellten Antrag, Fahrkosten bis zur Höhe der Kosten eines Verkehrsanwaltes für erstattungsfähig zu erklären, mit umfasst. Da die tatsächlich durch die Fahrten des Prozessbevollmächtigten des Klägers während des Kündigungsrechtsstreites angefallenen Reisekosten niedriger seien als jene eines Verkehrsanwaltes, seien diese auch vollumfänglich erstattungsfähig.
Er, der Kläger habe sich mit dem Auftrag, Kündigungsschutzklage zu erheben, an Rechtsanwalt B. gewandt, da dieser nicht nur bei der Vergütungsnachforderung (vgl. das Schreiben vom 29.07.2004) befasst gewesen sei, sondern danach mit der Beklagten auch noch wegen einer Änderung der Arbeitsbedingungen korrespondiert habe. Mithin sei Rechtsanwalt B. bestens in die Angelegenheit eingearbeitet gewesen. Bei diesen Tatsachen handele es sich um besondere Umstände im Sinne von § 121 Abs. 4 ZPO, so dass Rechtsanwalt B. dem Kläger einschränkungslos beizuordnen gewesen sei.
Im Übrigen sei der Kläger sei einiger Zeit nach Z umgezogen.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde des Klägers nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt und insbesondere auf die von beiden Parteien eingereichten Schriftsätze verwiesen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist nach §§ 78 Satz 1 ArbGG, 127 Abs. 2 Satz 1, 567 ff. ZPO zwar zulässig, in der Sache jedoch weder dem Haupt- noch dem Hilfsantrag nach begründet.
1.
Der Kläger verlangt mit dem Hauptantrag zu Unrecht, dass ihm Rechtsanwalt B. einschränkungslos beigeordnet wird. Die Einschränkung des Arbeitsgerichtes, wonach die Beiordnung unter Ausschluss der Erstattung von Tage- und Abwesenheitsgeld sowie der etwaigen Reisekosten vom Ort der Kanzlei zum Gerichtsort erfolgte, ist unter Beachtung von § 121 Abs. 3 und 4 ZPO in Verbindung mit § 11 a Abs. 3 ArbGG nicht zu beanstanden.
Nach § 121 Abs. 3 ZPO kann ein nicht bei dem Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Da eine Zulassung bei einem Arbeitsgericht nicht möglich ist, kann § 121 Abs. 3 ZPO in arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht unmittelbar angewendet werden. Jedoch ordnet § 11 a Abs. 3 ArbGG die "entsprechende" Anwendung der Vorschriften der ZPO über die Prozesskostenhilfe an. Sie sind deshalb ihrem Sinn nach auf das arbeitsgerichtliche Verfahren zu übertragen, soweit eine unmittelbare Anwendung nicht in Betracht kommt. Das bedeutet, dass im arbeitsgerichtlichen Verfahren statt auf die Zulassung des Rechtsanwaltes bei einem bestimmten Gericht auf seine Ansässigkeit am Ort des Gerichtes abzustellen ist. Die Beiordnung eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten kann deshalb lediglich erfolgen, wenn dadurch zusätzliche Kosten nicht entstehen. Die Erfüllung dieser Voraussetzungen kann das Gericht von Amts wegen in den Beiordnungsbeschluss aufnehmen. Die Vermeidung zusätzlicher Kosten ist Rechtsmäßigkeitsvoraussetzung für die Beiordnung. Entscheidet sich das Gericht für die Beiordnung eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten, ist durch die Beiordnung zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwaltes sichergestellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der Beiordnung tatsächlich vorliegen (vgl. BAG, Beschl. v. 18.07.2005 - 3 AZB 65/03).
2.
Soweit der Kläger mit seinem Hilfsantrag geltendmacht, bei der Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten seien Fahrtkosten bis zur Höhe der Kosten eines Verkehrsanwaltes für erstattungsfähig zu erklären, bleibt auch dies ohne Erfolg.
Dabei kann dahinstehen, ob dieses Begehren bereits in dem ursprünglichen Bewilligungsantrag hinreichend zum Ausdruck gekommen ist. Selbst wenn hiervon ausgegangen wird, ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass die rechtlichen Voraussetzungen für die Beiordnung eines Verkehrsanwaltes unter Beachtung von § 121 Abs. 4 2. Alternative ZPO nicht gegeben waren und daher auch nicht die Fahrtkosten bis zur Höhe der Kosten eines solchen Verkehrsanwaltes für erstattungsfähig erklärt werden können.
Gemäß § 121 Abs. 4 2. Alternative ZPO kann der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl zur Vermittlung des Verkehrs mit den Prozessbevollmächtigten beigeordnet werden, wenn besondere Umstände dies erfordern. Besondere Umstände im Sinne dieser gesetzlichen Regelung können unter anderem darin liegen, dass die hilfsbedürftige Partei wegen Gebrechen, Schreibungewandtheit, Rechtsunerfahrenheit oder Schwierigkeit des Streitstoffes den Prozessbevollmächtigten nicht sachgemäß schriftlich und wegen Unzumutbarkeit einer Reise auch nicht persönlich informieren kann (vgl. Zöller/Phillippi, ZPO, 24. Aufl., § 121 Rdnr. 20). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist im Rahmen der verfassungsgemäßen Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes der besonderen Umstände eine zusätzliche Beiordnung nach § 121 Abs. 4 ZPO auch dann geboten, wenn die Kosten des weiter beizuordnenden Rechtsanwaltes die sonst entstehenden Reisekosten des nicht am Prozessgericht zugelassenen Hauptbevollmächtigten nach § 126 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz BRAGO nicht unwesentlich übersteigen.
Im vorliegenden Fall sind unter Beachtung dieser Rechtslage keine besonderen Umstände im Sinne von § 121 Abs. 4 2. Alternative ZPO feststellbar. Es war dem Kläger ohne weiteres zumutbar, einen Rechtsanwalt am Gerichtsort, also in Landau zu beauftragen. Es sind nämlich keine besonderen Umstände ersichtlich, die ihm die Reise zur Beauftragung und Information eines am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwaltes unzumutbar gemacht hätten. Die Entfernung von seinem Wohnort in A-Stadt nach Landau beläuft sich gerade einmal auf rund 21 Straßenkilometer; er konnte also mit dem PKW oder auch mit öffentlichen Nahverkehrsmitteln - es besteht auch eine Bahnverbindung - problemlos nach Landau gelangen. Soweit sein Prozessbevollmächtigter in der Beschwerdeschrift mitgeteilt hat, der Kläger wohne "seit einiger Zeit" in Z ist diesen Angaben nicht zu entnehmen, dass er insbesondere zu Beginn des Prozesses, als die Informationsreise notwendig geworden wäre, bereits nicht mehr in A-Stadt gewohnt hätte.
Eine Reiseunfähigkeit, die in seiner Person begründet wäre, macht der Kläger nicht geltend. Im Rahmen einer Informationsreise nach Landau hätten der Kläger dem dortigen Prozessbevollmächtigten alle Umstände mitteilen können, die im Rahmen seines Kündigungsschutzprozesses rechtlich hätten relevant werden können.
Allein die Tatsache, dass der Kläger bereits im Vorfeld des Prozesses Rechtsanwalt B. mit der Wahrnehmung seiner Interessen im Zusammenhang mit Vergütungsforderungen und einer Änderung seiner Arbeitsbedingungen beauftragt hatte, macht es ihm nicht unzumutbar, für die Kündigungsschutzklage einen anderen Anwalt, der am Gerichtsort ansässig ist, zu beauftragen. Denn die Beendigungskündigung wurde - laut Kündigungsschreiben vom 23.02.2005 - von der Beklagten im Wesentlichen auf krankheitsbedingte Gründe gestützt. Es bestand mithin kein unmittelbarer Zusammenhang zu jenen Angelegenheiten, mit denen Rechtsanwalt B. im Vorfeld des Kündigungsschutzprozesses bereits befasst war. Der Kläger war daher gehalten, den auf Staatskosten tätig werdenden Rechtsanwalt so auszuwählen, dass sich diese Kosten nicht ohne Not erhöhen.
Überträgt man den vom Bundesgerichtshof angestellten Kostenvergleich auf den vorliegenden Fall, so wäre die Beiordnung eines Verkehrsanwaltes nur dann erforderlich gewesen, wenn dessen Kosten die Kosten des Klägers für die Informationsreise nicht wesentlich überstiegen hätten. Angesichts der Kosten für die Hin- und Rückreise zwischen den lediglich 21 Kilometer entfernten Orten würden die Kosten eines Verkehrsanwaltes - angesichts eines vom Arbeitsgericht festgesetzten Streitwertes in Höhe von 7.230,00 EUR - wesentlich höher sein; allein eine Rechtsanwaltsgebühr hätte sich bereits aus 234,00 EUR belaufen.
Nach alledem war die sofortige Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wurde gemäß §§ 3 ff. ZPO in Höhe der geschätzten Reisekosten einschließlich Abwesenheitsgeld des Prozessbevollmächtigten des Klägers festgesetzt. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde fehlte es unter Berücksichtigung von §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass.
Ende der Entscheidung
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